„Bodennah ausgeführter waagerechter Pflegeschnitt“
Einstimmig entschied die Mitgliederversammlung der Umweltschutzvereinigung Waldsiedlung Wildpark-West den regionalen Umweltnegativpreis „Schwarzer Rabe“ für das Jahr 2024 dem Direktor des Landesbetriebes Forst Brandenburg, Hubertus Kraut, zu verleihen.
Hubertus Kraut erhält diesen Preis bereits zum zweiten Mal von der Umweltschutzvereinigung zugesprochen.
Als Direktor des Landesforstbetriebes trägt er die Verantwortung, dass trotz eines laufenden Eilrechtsverfahrens und des von seiner eigenen Behörde verfügten Fällstopps mehr als 120 Bäume beidseits der historischen Allee zwischen Alt-Geltow und der Waldsiedlung Wildpark-West sowie eines angrenzenden Europäischen Schutzgebietes gefällt oder in nur wenigen Metern Höhe gekappt worden sind. Noch während die Kammer des Potsdamer Verwaltungsgerichtes über den Antrag auf Eilrechtsschutz beriet, wurde die Maßnahme fortgesetzt, um sie abzuschließen. Bizarr: Der Bescheid über den ausgesprochenen Fällstopp wurde dabei nicht aufgehoben.
„Ein bisher einmaliger Vorgang, der eine sofortige rechtsstaatliche Überprüfung verhinderte und Konsequenzen nach sich ziehen muss. Hätte Herr Kraut sich ein Bild von der Situation vor Ort gemacht, hätte er mit dem Wissen, dass Bäume einer historischen Allee und eines FFH-Schutzgebietes betroffen waren, sicher Maßnahmen ergriffen, um Schaden abzuwehren.“, vermutet Carsten Sicora, Vorstandsvorsitzender der Umweltschutzvereinigung.
„Stattdessen vertraute er offensichtlich seinem Justiziar und dem Betriebsleiter, der die Maßnahme angeordnet hatte. Dieser hatte zuvor intern erklärt, es bestehe ,kein Anlass einen Rückzieher zu machen’ und einer schriftlichen Stellungnahme und Akteneinsicht zum damaligen Zeitpunkt nicht nachkommen zu wollen. So ,überprüfte’ er sich selber – und fand natürlich nichts an seinem forstlichen Handeln auszusetzen. Dem Verein wurde mitgeteilt, weder sei ein ,unzulässiger Eingriff in den Straßenbaumbestand der Allee’ erfolgt, noch die Waldfläche als ,besonders geschütztes oder gefährdetes Biotop’ kartiert“.
Dass es sich dabei jedoch tatsächlich um Alleebäume und Bäume in einem Europäischen Schutzgebiet handelte, bestätigen nicht nur mehrere Fachgutachten, sondern hatte der zuständige Revierförster im Beisein von Vertretern der Umweltschutzvereinigung und Kommunalpolitikern bereits am 11. März 2024 bei einer Ortsbegehung eingeräumt. Er hatte das Schutzgebiet „nicht auf dem Schirm“ gehabt und war sich über die genaue Abgrenzung der Waldfläche zum Straßenbaumbestand im Unklaren. Er sei angewiesen „bodennahe Pflegeschnitte durchzuführen“.
Tragisch: zahlreiche Bäume entlang der Straße waren erst vor einiger Zeit mit großem finanziellen Aufwand bei Sanierungsarbeiten durch den Kreisstraßenbetrieb Potsdam-Mittelmark erhalten und gemeinsam mit den Bürgern begonnen worden, die Lücken im Alleebaumbestand wieder neu zu bepflanzen.
Warum die Arbeiten nach dem amtlichen Bescheid über einen Fällstopp fortgesetzt wurden, ist selbst Insidern ein Rätsel. Einen Bescheid zur Aufhebung, gegen den Widerspruch hätte eingelegt werden können, gab es nicht. Nicht auszuschließen ist, dass der Betriebsleiter sich durch sein Handeln einer gerichtlichen Überprüfung entziehen wollte, die der Verein im Falle der Fortsetzung der Fällungen angekündigt hatte.
Nach einer Dienstaufsichtsbeschwerde entschied sich der Landesbetrieb erst drei Monate später doch Akteneinsicht zu gewähren, wobei Teile von Akten vorenthalten wurden und beantragte Auskünfte bis heute unbeantwortet blieben.
Der Landesbetrieb hatte die Maßnahme im Nachhinein mit „Verkehrssicherung“ begründet und deshalb für sich in Anspruch genommen, weder die Untere Naturschutzbehörde (UNB), noch die Naturschutzverbände vorab beteiligen zu müssen. Erst im August lud der Landesbetrieb eine Mitarbeiterin der UNB zu einem „Vor-Ort-Termin“ ein. Diese bestätigte, dass die Maßnahme keinen negativen Eingriff ins Schutzgebiet darstellen würde und keine Alleebäume gefällt wurden. Vielmehr wurde durch die Maßnahme „neuer Lebensraum“ geschaffen.
„Das Verhalten der Betriebsleitung ist nicht mehr hinnehmbar. Die rechtswidrige Vorenthaltung von Informationen und Akten, das Täuschen über vorgesehene Nachpflanzflächen und der Versuch mittels eines nachträglich ausgestellten ,Persilscheins῾ mögliches Fehlverhalten zu kaschieren, wirft ein verheerendes Licht auf behördliches Handeln und beschädigt nachhaltig das Ansehen nicht nur des Landesbetriebes sondern auch des Landes Brandenburg. Es ist für mich offensichtlich, dass hier eine Behörde der Landesregierung seit Jahren auf der Nase herumtanzt und alle Bemühungen um Klima- und Alleeschutz konterkariert. Genau diese Art und Weise des Umgangs mit engagierten Bürgern, die sich für den Erhalt unserer Brandenburgischen Landschaften einsetzen, ist es, die den sozialen Frieden in unserem Land gefährden.“, so Sicora.
Die vom Betriebsleiter des Forstbetriebes doppelsinnig „mehr als notwendig“ bezeichnete Maßnahme betraf auch die Bäume des Bruchwaldes im Überflutungsgebiet an der Havel und erinnerte viele Bewohner der nahen Waldsiedlung Wildpark-West und Geltows an die brachialen „Durchforstungsmaßnahmen“ eines anderen geschützten Biotops im Jahre 2020. Damals wurde auch der Rastplatz und das Bodenkmal am „Kleinen Entenfangsee“ durch den Einsatz schwerer Technik in Mitleidenschaft gezogen.
„Während damals fast der gesamte Erlenbruchwald gerodet und das geschlagene Holz verkauft wurde, wurden diesmal nur einzelne Stämme und Teile des ursprünglich für Brennholzerwerber am Radweg aufgestapelten Holzes abtransportiert. Der Gesetzgeber verbietet, illegal geschlagenes Holz in den Verkehr zu bringen. Es sollte jedem bewusst sein, dass dies, wie auch das Zerstören von Lebensräumen, von Brut- und Niststätten streng geschützter Tierarten, kein Kavaliersdelikt mehr ist“, erklärte Carsten Sicora, Vorstandsvorsitzender der Umweltschutzvereinigung.